Meinen letzten Artikel über das Propaganda-Video des Oslo-Attentäters habe ich mit dem Aufruf abgeschlossen dem islamophoben Weltbild des Täters ernsthafter entgegenzutreten. Seitdem sind mir zwei Dinge aufgefallen. Erstens: Ich bin wohl nicht der einzige, der das so sieht, und es ist tatsächlich hier und da der Wille zu erkennen dieser Gedankenwelt entgegenzutreten. Zweitens: Viele stochern dabei gewaltig im Nebel herum und sind sich anscheinend nicht wirklich bewusst, dass sie es nicht mit einem klassischen Nazi-Weltbild zu tun haben. Inzwischen mischen sich zwar auch sinnvollere Beiträge ins mediale Gesamtbild, trotzdem möchte ich aber hiermit im Rahmen meiner Möglichkeiten nochmal zur Klarheit beitragen.
Besonders ärgern mich noch Artikel, in denen der Täter als wirr, chaotisch oder sogar ziellos dargestellt wird. Das trifft die Sache überhaupt nicht. Verrückt? Vielleicht. Aber diese Gedankenwelt ist recht umfangreich, detailliert und kommt ihren Anhängern in sich vollständig und schlüssig vor. Will man diesem entgegentreten, sollte man das ein oder andere darüber wissen, denn einfach „Nazi“ zu rufen und nach Glatzen ausschau zu halten, wird einen hier kein Stück weiterbringen. Auch NPD-Verbotsdiskussionen oder ähnliches zielen an diesem speziellen Problem glatt vorbei.
Ich bin kein wirklich ausgewiesener Experte des islamophoben Weltbilds und möchte hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, aber gerne das, was ich darüber weiß, mit euch teilen.
Es handelt such bei diesem Weltbild um ein Sammelsurium verschiedener Aspekte, die zusammen ein Ganzes ergeben. Bei den meisten Teilaspekten gibt es auch Gruppen oder einzelne, prominente Personen, die viel zum jeweiligen ideologischen Unterbau beitragen, ohne dabei aber zwangsweise dem vollständigen islamophoben Weltbild anzuhängen. Der harte Kern der Islamophoben bedient sich der Argumente dieser Personen und nutzt sie als Aushängeschilder, bzw. versucht sich deren teilweise vorhandene intellektuelle „Credibility“ zueigen zu machen. Ich versuche im Folgenden das Gesamtbild zu skizzieren.
Das primäre Feindbild
Wenig überraschend ist das primäre Feindbild der Islam. Dabei wird ein Bedrohungszenario aufgebaut, dass der Gesamtheit der Muslime unterstellt die vollständige Herrschaft über die Welt anzustreben. Der Fokus liegt dabei aber erstmal auf dem Bedrohungsszenario für Europa, wobei die Türkei hier natürlich explizit nicht dazugezählt wird. Andere Länder mit muslimischer Mehrheit wie z.B. Albanien oder das Kosovo werden im Prinzip als bereits verlorene Gebiete betrachtet, die man aber durchaus gerne zurück hätte.
Die Muslime werden als im Großen und Ganzen homogene Gruppe angesehen, deren Leben und Lebenssinn primär vom Islam bestimmt wird. Es wird davon ausgegangen, dass jeder Moslem sein Leben und vor allem auch seine gesellschaftlichen bzw. staatstheoretischen Vorstellungen an seinem Glauben ausrichtet, weil der Islam keine Säkularisierung durchlaufen hätte. Nennenswerte Differenzierungen finden hier nicht statt. Im Gegenteil wird alles, was irgendwie einen türkischen oder arabischen Eindruck macht in dieser Gruppe verortet. Die tatsächliche Rolle der Religion wird bei negativen Ereignissen oder Handlungen nicht geprüft, sondern prinzipiell unterstellt. Selbst so offensichtliche Fragen, wie z.B. wie islamisch-religiös ein Türke überhaupt sein kann, wenn er betrunken jemanden verprügelt, werden ausgeblendet. Ein Entkommen aus dieser Kategorisierung ist für das einzelne Individuum kaum möglich. Höchstens ein Übertritt zum Christentum mit gleichzeitigem Verdammen des Islam wird akzeptiert, alle anderen bleiben auf der Liste der Feinde, egal wie sie ihr Leben tatsächlich führen. An dieser Stelle wird die klar rassistische Komponente des Weltbilds am deutlichsten.
Dem Islam an sich wird unterstellt weltweit die ideologische Hegemonie anzustreben (was bei missionarischen Religionen jetzt nicht sooo untypisch ist). Dieses Ziel wird aber auch auf den einzelnen Muslim heruntergebrochen. Jede Aussage und jede Handlung eines Muslims wird in diesem Kontext gesehen. Gewalttaten gegenüber Nicht-Muslimen oder z.B. hohe Geburtenzahlen in muslimischen Familien werden sozusagen als Teil des Masterplans gesehen, die Herrschaft über Europa zu übernehmen. Eine Unterscheidung in Islamismus und Islam spielt dabei keine Rolle. Das Ziel der Machtübernahme wird als elementarer Bestandteil dieser Religion an sich gesehen, nicht als Frage einer Auslegung. Große Terroranschläge, Gewalttaten auf der Straße oder z.B. auf Bahnhöfen, aber auch Engagement in Kulturvereinen, Angebote explizit islamkonformer Lebensmittel in Geschäften, oder sogar Geburten in muslimischen Familien werden alle als Teilschritte dieser Machtübernahme gesehen. Als Stichwortgeber wird hierfür gerne Ralph Giordano herangezogen, der mit dieser Szene allerdings laut eigenen Aussagen nichts zu tun haben möchte. Die im Kontext der Integrationsdebatte getätigte Aussage „Der Islam ist das Problem.“ spricht der Szene allerdings aus der Seele und wird von dieser gern und häufig auch in anderen Kontexten aus der Schublade geholt.
Dieses Bild der Muslime wird durch konstantes Aufzählen vermeintlicher Beweise und Indizien dafür aufgebaut und verfestigt. Dafür gibt es eine Art Netzwerk von Blogs und Foren, dessen größtes Organ in Deutschland wohl das Blog Politically Incorrect sein dürfte. Dort wird alles gesammelt, was sich irgendwie zu einer Bestätigung der eigenen Sichtweise verwenden lässt. Die Auswahl dieser Ereignisse ist natürlich streng selektiv. Widersprüche oder Korrekturen des Kontextes, in den das Ereignis gesetzt wurde, werden in Kommentarspalten weitestgehend gelöscht (been there, done that…), um ein ungetrübtes, einheitliches Bild zu gewährleisten. Die faktische Korrektheit der Stories spielt eine eher untergeordnete Rolle. Was nicht ins Bild passt, wird weggelassen, der Kontext auch gerne mal durch das oben beschriebene ersetzt. Die tatsächliche Relevanz einer gefundenen Geschichte wird ebenfalls großzügig selbst festgelegt. Jeder Stinkefinger im Straßenverkehr ist recht, um Futter für das Weltbild zu liefern, hauptsache der konstante Strom an Selbstbestätigung reißt nicht ab.
Futter liefert dafür z.B. auffällig häufig das Middle East Media Research Institute (kurz: MEMRI). Das ist eine Organisation, die kostenlos arabische Nachrichten übersetzt und an Journalisten auf der ganzen Welt weiterreicht. Dabei wurde ebenfalls schon der Vorwurf erhoben, diese Organisation würde das sehr selektiv tun. Wann immer irgendwo auf der Welt ein Dorf-Mullah etwas dämliches von sich gibt, wird der Weg in unsere Medien durch dieses Angebot deutlich verkürzt. Wenn man ein wenig darauf achtet, fällt einem direkt auf wie häufig bei solchen internationalen Meldungen soetwas wie „Quelle: MEMRI“ oder ähnliches unter den Artikeln steht.
Für Taten oder Aussagen von Muslimen, die diesem Weltbild widersprechen, gibt es einen besonders perfiden Backup-Plan. Es gibt im Islam eine Regelung, die sich „Taqiyya“ (oder ähnliche Schriftweise) nennt. Dabei handelt es sich im Prinzip um die Erlaubnis den eigenen Glauben zu verleugnen, wenn man wegen des Glaubens z.B. mit dem Tode bedroht wird, was ohne eine solche Bedrohung im Islam eine schwere Sünde wäre. Diese Regelung wird nun zu einer generellen Erlaubnis (teilweise sogar Pflicht) umgedichtet die Unwahrheit zu sagen, um die Ziele des Islams erreichen zu können. Zusammengenommen läuft es auf die einfache Formel hinaus: „Muslime, die nicht den Eindruck erwecken uns unterjochen zu wollen, wollen uns damit täuschen, um uns dann klammheimlich doch zu unterjochen.“ Das hört sich schräg an, die meinen das aber absolut ernst. Und praktischerweise lässt sich das wirklich immer anwenden, wenn irgendetwas nicht ins Bild passt. Man sollte meinen diese Nummer wäre zu plumpp, um tatsächlich funktionieren zu können, aber man darf dabei nicht unterschätzen welcher enorme Aufwand betrieben wird sowohl die Pflicht zur Unterjochung als auch die Taktik der Taqiyya aus dem Koran und aus Aussagen von Muslimen selbst abzuleiten und damit vermeintlich zu beweisen. Herangezogen werden dafür dann oft richtige Islamisten, die üblicherweise ihre ganz eigenen Vorstellungen von Dschihad (was eine recht komplexe Angelegenheit ist und den Rahmen dieses Posting sprengen würde, mal ganz davon abgesehen, dass ich mir nicht zutrauen würde eine vollständige Erklärung fehlerfrei wiederzugeben) und den dabei einzusetzenden Mitteln haben. In diesem Dschihad wird von den Islamisten (mehr oder weniger) die Aufforderung zur Erlangung der Weltherrschaft gesehen und sie berufen sich dabei auf den Koran, was von der islamophoben Szene dankbar aufgenommen wird. Bizarrerweise gibt diese Szene damit mehr auf islamistische Weltbilder als es die meisten Muslime tun. Das Bild des Islam als eine große, homogene Gruppe mit dem Anspruch auf die Weltherrschaft ist tatsächlich zum großen Teil den feuchten Träumen größenwahnsinniger Islamisten entsprungen.
Die Angst davor unterjocht zu werden, darf man sich allerdings nicht so vorstellen, dass befürchtet wird, dass bald bewaffnete islamische Armeen durch unsere Straßen ziehen. Stattdessen wird befürchtet, dass unsere Gesellschaft eine langsame Transformation durchmacht, an deren Ende ein islamischer Staat mit islamischen Regeln (sprich: die Scharia) steht. Diese Transformation soll mit aller Macht verhindert werden, was aber auch relativ kleine Schritte, die z.B. der praktischen Umsetzung der Religionsfreiheit dienen (sollen), mit einschließt. Proteste gegen Moscheebauten, Islamunterricht an Schulen oder Imam-Ausbildungen in Deutschland werden als eine Art „wehret den Anfängen“ gesehen und daher sehr hartnäckig und kompromisslos durchgezogen. Dieser Aspekt ist es letztlich, weswegen ich den Begriff „islamophob“ für absolut gerechtfertigt halte, obwohl die Szene sich selbst als „islamkritisch“ sieht. Wo dieses Weltbild sich komplett manifestiert hat, wird weit über die blose Kritik an konkreten Gegebenheiten hinausgegangen, sondern in ihrem Ausmaß irrationale Angst geschürt.
Um diese Bedrohung möglichst greifbar zu machen, wird viel mit demographischen Zahlen um sich geworfen. Beliebt sind dabei Berechnungen, die aufzeigen sollen ab wann irgendwo eine muslimische Bevölkerungsmehrheit sein wird. Diese sind gelegentlich Pseudo-Wissenschaftlich verpackt, meistens wird aber einfach irgendeine Wachstumsrate genommen und ein paar Jahrzehnte weitergerechnet. Dass bei so einer Rechenweise schon allein deshalb keine muslimische Mehrheit zustandekommen kann, weil damit zur in Frage kommenden Zeit ein paar hundert Millionen Polen in Deutschland leben würden, fällt nicht weiter auf. Hauptsache man hat eine Zahl an Muslimen, die immer größer und größer wird. Dabei sind in der Regel die Ausgangszahlen bereits ziemlich wertlos. Meines Wissens gibt es gar keine genauen Zahlen von Muslimen in Deutschland, nur grobe Schätzungen. Noch schwerer wäre es sowieso dann auch noch zu ermitteln, wieviele davon überhaupt praktizierende Muslime sind und wieviele der Religion nur auf dem Papier angehören. Es gibt zwar Studien darüber, dass diese Quote bei den hier lebenden Muslimen höher ist als bei den Christen, aber höher heißt nunmal noch lange nicht alle. Solche Unterscheidungen spielen im islamophoben Weltbild aber ohnehin keine Rolle.
Der innere Feind
Ein wichtiger und häufig unterschätzter Teil dieses Weltbilds ist das innere Feindbild, das im Prinzip aus Kollaborateuren mit dem primären Feindbild besteht. Es wird davon ausgegangen, dass die in Europa vorherrschende Kultur ein abgeschlossenes, stabiles und rundum lebenswertes Gebilde wäre. Bedroht wird es durch die Einflüsse „fremder“ Kulturen, wobei die Hauptbedrohung eben im Islam gesehen wird (die Ideen dazu sind weitestgehend aus dem Konzept des „Ethnopluralismus“ entnommen). Dass dieser aber überhaupt in Europa existiert, wird voll und ganz der politischen Linken angelastet. Ganz besonders dafür verantwortlich gemacht wird der gesellschaftliche Einfluss der „68er-Bewegung“. Bis dahin soll in Deutschland und Europa alles Friede-Freude-Eierkuchen gewesen sein, ab da sollen die Probleme dann losgegangen sein.
Dieser 68er-Bewegung wird dabei unterstellt einen Selbsthass gegen die eigene (bzw. die konservative) Kultur zu hegen. Auch hier wird eine Art großer Masterplan vermutet, der grob skizziert ungefähr so aussieht: Die deutsche Kultur (und Nation) ist prinzipiell schlecht und muss nachhaltig zerstört werden, denn sie steckt überall voller Nationalsozialismus. Das Mittel der Wahl seien vor allem Umerziehung und Zuwanderung. So soll die eigene Kultur aktiv personell verdünnt und ihre Reste tabuisiert oder gar kriminalisiert werden. Unterstellt wird das mit Vorliebe den Grünen (Hmm, was die wohl über die aktuellen Umfragewerte denken? :D), deren Spitzenpolitiker oft eine bewegte Vergangenheit in der Studentenbewegung von 68 haben. Es ist kein Zufall, dass sich eines der beliebtesten Foren dieser Szene „Grüne Pest“ nennt (was sowohl zum Islam als auch zu den Grünen passt), bzw. nannte, wie ich gerade festgestellt habe. Nun heißt es offenbar Reconquista – Europa, aber das passt auch ins Bild, wie ich später noch ausführen werde. Der ideologische Unterbau dafür wird in der Philosophie der „Frankfurter Schule“ verortet, mit der sich allerdings nicht sehr intensiv auseinandergesetzt wird. Meinem Eindruck nach dient sie eher dazu dem Feindbild einen Namen geben zu können, mit dem man sich selbst als intellektuell darstellen kann. Die vermeintlichen Anhänger der Frankfurter Schule werden häufig einfach als „Multikultis“ oder manchmal mit dem von klassischen Rechtsextremen ausgeliehenen Begriff „Linksfaschisten“ bezeichnet. Der vom Oslo-Attentäter verwendete Begriff „kulturelle Marxisten“ dürfte wohl auf die selbe Gruppe abzielen.
Der breiten Bevölkerung wird unterstellt der politischen Linken auf den Leim gegangen zu sein. Sie werden im Wesentlichen als eine Art „nützliche Idioten“ für den Islam angesehen, die sich einbilden würden die Probleme der Welt könnten durch Händchenhalten gelöst werden und dabei die Natur der drohenden Gefahr nicht erkennen. Hierbei kommt besonders gerne der Begriff „Gutmensch“ zum Einsatz. Der Attentäter von Oslo nennt sie „suicidal humanists“ und unterscheidet dabei in seinen Texten zwischen Verrätern der Kategorie A, B und C, die verschieden stark bzw. verschieden direkt zur angeblichen Islamisierung beitragen würden. Das war mir so explizit ausformuliert zwar jetzt auch neu, passt aber recht genau zu dem, wie die Islamophoben hierzulande ihre Mitmenschen sehen.
Der Grund warum das eigene Weltbild in der Politik nur eine Randerscheinung ist, wird darin gesehen, dass die Generation der 68er alle wichtigen Institutionen der Demokratie besetzt hätten. Es wird davon ausgegangen, dass der sogenannte Marsch durch die Institutionen der 68er dafür gesorgt hat, dass diese Gruppe nun der deutschen Bevölkerung ungehindert ihr Weltbild eintrichtern kann. Besonders die Medien, aber auch z.B. die Schulen werden als weitestgehend unter linker Kontrolle angesehen. Diese Institutionen würden zur breit angelegten Indoktrination der Bevölkerung genutzt. Diese Vorstellungen sind wohl weitestgehend der „Neuen Rechten“ entliehen, die bereits seit längerem versuchen diesen prognostizierten Zustand gezielt umzukehren (z.B. aus dem Institut für Staatspolitik heraus).
Als wirkungsvollstes Mittel, um die Bevölkerung quasi dumm und unwissend zu halten, wird die politische Korrektheit angesehen. Dahinter wird ein bewusstes Konzept vermutet unliebsame Gegebenheiten in der Gesellschaft zu tabuisieren. Der bekannteste Stichwortgeber ist dabei Henryk M. Broder, der zwar politische Korrektheit rundum ablehnt, aber in der Regel trotzdem nicht mit dem harten Kern der Islamophoben in Verbindung gebracht werden will. Die Mechanismen der politischen Korrektheit werden von diesen als Unterdrückung und Einschränkung der Meinungsfreiheit gesehen. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass diese Leute davon ausgehen in dieser Gesellschaft die Dinge nicht sagen zu dürfen, die sie eigentlich permanent sagen. Der Trick ist, dass das Aussprechen politisch unkorrekter Dinge zu einer Art heroischem, mindestens aber rebellischem Akt wird, wenn man es als eigentlich verboten darstellt. Das Blog Politically Incorrect hat sich daher konsequenter Weise auch gleich danach benannt.
Als Label für seine eigene Botschaft hat dieses Selbstverständnis auch noch einen anderen Vorteil: Die Reaktionen auf politisch unkorrekte Aussagen sind in einer Gesellschaft, in der diese wirklich als politisch unkorrekt akzeptiert sind, in der Regel Empörung und Ablehnung. Die selben Reaktionen erhält man aber auch oft auf Aussagen, die schlicht dämlich sind, oder gar sachlich völlig falsch. Die Anhänger des islamophoben Weltbilds stumpfen nun gewissermaßen gegenüber solchen Reaktionen ab oder freuen sich sogar noch darüber. Der Unterschied, ob die eigene Aussage nun politisch unkorrekt, oder dämlich bzw. schlicht offensichtlich falsch war, wird dann gar nicht mehr erkannt. Selbst sachliche Kritik kann so kaum noch durchdringen, weil sie immer als ein Erzwingen politischer Korrektheit gesehen wird.
Die Szene stellt sich hier als Opfer einer Einschränkung der Meinungsfreiheit dar. Tatsächlich können sie aber sehr wohl aussprechen, was sie für krude Ansichten haben. Was sie vor allem stört, ist der Widerspruch, den sie dabei ernten. Meistens ist es dieser Widerspruch, der als Einschränkung der Meinungsfreiheit gegeiselt und als solche bekämpft wird. Darauf sollte man nicht hereinfallen.
Erstaunlicherweise wird von vielen der Szene sogar der Klimawandel als Instrument der politischen Linken gesehen, um die eigene Kultur absichtlich zu schwächen. Alles, was irgendwie mit Selbstkritik oder einer notwendigen Umstellung der eigenen Lebensweise zu tun hat, wird letztlich in diesen Kontext gebracht und trägt zum Gesamtbild der Opferrolle bei.
Das Selbstbild
Sich selbst hält diese Gruppe für die einzigen Erleuchteten in einer ansonsten weitestgehend blinden Bevölkerung. Sie lesen permanent Berichte irgendwelcher Ereignisse, die sie mit dem Islam in Verbindung bringen, über die aber sonst nirgendwo nennenswert berichtet wird. Sie lesen mehr Koranverse als es viele Muslime tun und versuchen sich an einer selektiven und oberflächlichen Laienexegese, die sie sich durch häufiges Wiederholen und Herumreichen selbst bestätigen. Abenteuerliche demographische Prognosen und das Zusammenkratzen verschiedenster Quellen geben den eigenen Vorstellungen eine Art pseudo-wissenschaftlichen Anstrich. Zur Selbstbestätigung werden zahlreiche Zitate bekannter Persönlichkeiten herumgereicht, die dabei auch gerne aus dem Kontext gerissen, oder sogar frei erfunden werden (das Video des Oslo-Attentäters enthält z.B. so ein angebliches Churchill-Zitat). Diese Leute glauben sich in diesem ganzen Bereich wirklich gut auszukennen und gehen in der Regel auch immer davon aus mehr zu wissen als die Personen, die versuchen ihr Weltbild zu erschüttern. Dessen sollte man sich bewusst sein, wenn man mit ihnen diskutiert.
Der Rest der Bevölkerung wird als indoktriniert, ahnungs- oder sogar willenlos angesehen. Auf den Blogs und in den Foren lesen sich diese Leute in Dinge ein, von denen sie vorher nie gehört hatten (was meistens daran liegt, dass sie entweder Unsinn sind, oder ihnen sonst kaum einer eine wirklich Relevanz zumisst). Sie treffen dort auf andere Leute, die sich ebenso beeindruckt und dadurch erleuchtet geben, wie sie sich in dem Moment fühlen. Finden sie woanders entsprechenden Widerspruch, gehen sie davon aus, dass diese Leute die Dinge nicht kennen, oder zumindest nicht vollumfänglich begriffen haben, die sie selbst gelesen haben. Außerdem gehen sie davon aus, dass die anderen sie daran hindern wollen, diese Dinge weiter zu verbreiten, und sehen damit ihre Meinungsfreiheit bedroht.
Da sich die Politik und die sonstige Bevölkerung nicht ausreichend rührt, sehen sie sich selbst in der Pflicht die Verteidigung der eigenen Kultur zu übernehmen. Die zwingende Notwendigkeit dafür wird nicht zuletzt aus dem Buch „The Clash of Civilisations“ von Samuel Huntington abgeleitet, der darin prophezeit, dass in Zukunft eine recht begrenzte Anzahl verschiedener Kulturräume um die Vorherrschaft auf der Welt ringen werden. In der Vorstellung der Islamophoben hat der islamische Kulturraum bereits damit angefangen unseren Kulturraum anzugreifen, während wir hauptsächlich von Linken daran gehindert werden uns zu wehren.
„Unser Kulturraum“ wird dabei als christlich geprägte Industrienationen definiert. Dabei ist es allerdings so, dass ein christlicher Glaube keineswegs eine Vorraussetzung für ein islamophobes Weltbild ist. Es gibt da zwar viele mit einem christlichen, teilweise auch strengreligiösem christlichen Hintergrund, es gibt aber auch viele Atheisten bzw. mit unreligiösem Lebensstil. Meiner Einschätzung nach ist der christlich-religiöse Hintergrund der Islamophobie in den USA deutlich stärker ausgeprägt als bei uns. Ein Beispiel für religiös orientierten Kulturkampf bei uns wäre z.B. die katholisch orientierte Hetzseite kreuz.net. Der Rest der Szene sieht das Christentum eher als die Klammer, die unseren Kulturraum geformt hat und ihn von anderen Kulturräumen abgrenzt. Es gilt sozusagen als der Global Player, dem man zutraut den islamischen Kulturraum zurückzudrängen.
Häufig werden dafür auch historische Ereignisse herangezogen und heroisiert. Diese gelten als Vorbilder für die erfolgreiche Bekämpfung des Islam. Als sinnbildlich für unsere Situation heute wird häufig die Belagerung von Wien durch das Osmanische Reich angesehen, worauf sich das Blog „Gates of Vienna“ auch explizit bezieht, dass eine Art englischsprachige Version von Politically Incorrect ist, und wo sich auch der Attentäter von Oslo an Texten für sein Manifest bedient hat. Dieser listet in seinem Propaganda-Video dann auch gleich noch die ganzen anderen historischen Vorbilder mit auf. Karl Martell und „El Cid“ sind z.B. zwei historische Figuren aus der islamischen Zeit der Iberischen Halbinsel. Die Vertreibung des Islams von dort (Reconquisita, wie sich das Forum „Grüne Pest“ heute ja offenbar auch nennt) wird ebenso als Vorbild gefeiert, wie z.B. die Kreuzzüge, aus denen sich das Faible für Kreuzritter ableitet. Breivik listet noch einige andere historische Ereignisse bzw. Figuren auf, die alle eins gemeinsam haben: Sie drehen sich um militärische Konflikte „unseres“ Kulturraums mit dem islamischen. Als abschreckendes Beispiel für das, was uns angeblich auch heute drohen würde, wird gelegentlich die Schlacht auf dem Amselfeld herangezogen. Die Gründung des Staates Kosovo in dieser Region mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit wird als Konsequenz daraus gesehen und dafür verwendet ähnliche Zukunftserwartungen für Deutschland zu konstruieren.
Das Christentum spielt im islamophoben Weltbild in erster Linie die Rolle der historischen Großmacht und des Konterparts des Islam. Als Quelle für die eigenen Überzeugungen spielt es meiner Ansicht nach kaum eine Rolle. Bei Leuten wie Breivik von christlichem Fundamentalismus zu sprechen halte ich daher auch für reichlich verfehlt. Der christliche Glaube ist keinerlei Vorraussetzung für dieses Weltbild und spielt eher eine politisch instrumentalisierte Rolle, als eine ideologische.
Das selbe gilt auch für die Rolle des Judentums in diesem Weltbild, denn natürlich spielt hier auch der Konflikt in und um Israel eine Rolle. Die Selbstbeschreibung als pro-israelisch dient dabei zwei verschiedenen Zwecken.
Einer davon ist die Distanzierung vom Nationalsozialismus. Damit wird sichergestellt, dass die üblichen Abwehrmechanismen unserer Gesellschaft gegenüber nationalsozialistischem Rechtsextremismus ins Leere laufen. Die Suche nach Antisemitismus, mit dem man die Szene ins moralische Abseits verdrängen könnte, bleibt in der Regel erfolglos und auch die Besuche von klassischen Glatzen mit ihren Symbolen nehmen auf den Veranstaltungen der Szene kaum Raum ein. Der Gruppe wird damit erleichtert sich selbst gar nicht als rechtsextrem anzusehen. Es gibt zwar durchaus Grenzgänger zwischen diesen beiden rechtsextremen Lagern (in der Führungsriege der Pro-Bewegungen kann man da fündig werden), aber auch diese versuchen sich meistens nach außen eher gemäßigt zu geben. Die Sensibilität der Gesellschaft für Antisemitismus läuft damit ins Leere und bekannte Juden, wie z.B. Giordano oder Broder, können problemlos ins eigene Weltbild integriert werden. Um das nochmal extra zu betonen, wird statt von der christlichen Kultur häufig von der christlich-jüdischen Kultur als Definition des eigenen Kulturraums gesprochen. Diese Verbindung ist angesichts der Historie der Beziehung zwischen Christen und Juden als prägendes Element unserer Kultur eher abenteuerlich konstruiert, gegen Antisemitismus-Vorwürfe hilft es aber trotzdem und macht die Szene aus ihrer Sicht auch gleich noch immun gegenüber dem Vorwurf rechtsextrem zu sein. Dieser dient dann wiederum als „Nazi-Keule“ zur Bestätigung, dass die Kritik am eigenen Weltbild sich pauschal aus Unkenntnis speisen würde.
Der zweite Zweck des Bekenntnisses zu Israel steht in der Tradition der Kreuzzüge. Der Staat Israel wird als Vorposten im Kampf gegen den Islam angesehen. Dabei gilt das Interesse weniger dem Wohl der Israelis, sondern nur dem Kampf gegen die islamische Bevölkerung dort. Das wird vor allem dadurch deutlich, dass man ohne mit der Wimper zu zucken auch gerne jüdische Extremisten unterstützt, sogar wenn diese selbst bereits Terroranschläge durchgeführt haben. So schaltete in der Vergangenheit z.B. die „Jewish Task Force“, eine Abspaltung der „Jewish Defense League“ bereits Werbung auf Politically Incorrect und finanzierte das Blog dadurch mit. Deren Gründer, Victor Vancier, der selbst bereits wegen Bombenattentaten verurteilt wurde, war selbst sogar schon Gastautor auf dem Blog. Man ist nicht unbedingt wählerisch bei der Auswahl der eigenen Verbündeten und auch Gewalt und Terror war in der Vergangenheit kein KO-Kriterium dafür, was die eifrigen Distanzierungen zum Oslo-Attentäter jetzt auch nicht unbedingt glaubwürdiger erscheinen lassen.
Die Anhänger des islamophoben Weltbilds sehen sich selbst als die letzte Rettung für unsere Kultur. Für sie geht es ums Ganze, nicht nur um die eigene Existenz, sondern um die Existenz der eigenen Lebensweise. Aus so einer Ausgangslage heraus lassen sich eine Menge Dinge rechtfertigen, auch Gewalt, da sie immer als Selbstverteidigung angesehen wird. Bisher war der bewaffnete Konflikt kein offenes Mittel der Auseinandersetzung, die Ereignisse von Oslo stellen hier eine neue Eskalationsstufe dar, die ein wenig zeigt was da unter der Oberfläche noch so vor sich geht und hoffentlich nicht Schule machen wird. Über die Notwendigkeit der eigenen Bewaffnung wird aber durchaus auch offen rege diskutiert, z.B. auch unter Zuhilfenahme des Gandhi-Zitats „Among the many misdeeds of the British rule in India, history will look upon the act of depriving a whole nation of arms, as the blackest.“. Hier gärt durchaus die Ansicht, dass es eine gute Idee wäre sich auf einen bewaffneten Konflikt vorzubereiten, wobei das bisher aber eher zur Selbstverteidigung gedacht wird, für den Moment, an dem es groß knallen wird, bei dem man fest davon ausgeht, dass er irgendwann kommen wird, wenn sich in der Gesellschaft nichts ändert. Ich möchte gar nicht wissen, wieviele von denen noch mit dem Gedanken spielen diese Selbstverteidigung ein wenig offensiver auszulegen, als es bisher üblich war… der erste Schritt dahin wurde jetzt auch jeden Fall gemacht.
Fazit
Wie man sieht ist das islamophobe Weltbild also durchaus umfangreich, teilweise sogar regelrecht ausgefuchst. Die Anhänger halten sich nicht nur für gut informiert, sondern sogar für die einzigen, die überhaupt mit offenen Augen durch die Welt laufen. Der Aufwand der betrieben wird, um das eigene Weltbild stabil zu halten, zu begründen und vermeintlich sogar zu beweisen, ist enorm. Die Gesamtlage wird als so bedrohlich dargestellt, dass Angst vor der Zukunft ein wesentlicher Treiber ist. Vom nationalsozialisten Weltbild hält man sich überwiegend fern.
Das Erfolgsrezept dieses Weltbilds sind letztlich seine fließenden Übergänge. Es greift viele Ansichten und Einschätzungen auf, die in der Gesellschaft ohnehin schon latent oder manifest vorhanden sind. Die meisten Leute finden sich in Teilaspekten durchaus wieder, sei es z.B. die Ansicht man dürfe bestimmte Dinge nicht aussprechen, oder das Gefühl die eigene Gruppe würde in der Gesellschaft bald zu einer Minderheit werden. Ereignisse, wie z.B. die Entwicklung um Eva Herman, oder das Buch von Thilo Sarrazin wirken auf diese Ansichten wie Dünger.
Das Hauptproblem ist, dass viele dieser Teilaspekte vielleicht nicht immer komplett richtig sind, aber auch keine gesellschaftlich inakzeptablen Denkmuster darstellen. Eine rote Linie, ab wann es sich um wirklich gefährliche Ansichten handelt, ab der gesellschaftliches oder evtl. sogar staatliches Entgegenwirken unverzichtbar wird, ist schwer auszumachen. An bekannten Mustern, wie z.B. beim Antisemitismus, bei denen sofort die Alarmglocken angehen, fehlt es weitestgehend. Das macht es enorm schwer angemessene Kritik z.B. an Aspekten des Islam oder am Umgang mit anderen Meinungen von problematischen Verallgemeinerungen oder paranoidem Opfer-Mythos zu unterscheiden. Ein Entgegenwirken gegen islamophobe Tendenzen, das bereits zu früh ansetzt und die legitime Auseinandersetzung mit diesem Thema behindert, ist gesellschaftlich nicht sonderlich wünschenswert und in der Sache oft kontraproduktiv.
Die schwierige Aufgabe für die Zukunft ist es genau hinzusehen und nach der roten Linie Ausschau zu halten.
Der Weg dorthin ist mit vielen Halb- und Unwahrheiten gepflastert, denen man entgegentreten kann. Es ist zwar oft anstrengend diese einzeln mit viel Klein-Klein richtig zu stellen, aber es ist notwendig. Das islamophobe Weltbild speist sich aus Wiederholungen von Behauptungen. Diese werden so oft ausgepackt und verbreitet, dass man sie überall antrifft und sie letztendlich als Wahrheit akzeptiert werden. Wenn ihnen nicht mit Korrekturen und Richtigstellungen begegnet wird, breiten sie sich auch weit über den rechten Rand der Gesellschaft hinaus aus. Und genau das passiert leider schon seit einigen Jahren…
Edit:
Hier habe ich noch eine schöne Ergänzung zu den rhetorischen Mitteln der neuen Rechten gefunden. Das passt hier auch ganz gut in den Kontext: Gutmensch und Wutbürger als rechte Kampfbegriffe