Manöverkritik BPT 2013.2

Veröffentlicht: 11. Dezember 2013 in Basisdemokratie, Piraten

Ich mag ja Zahlen. Und ich mag, was man damit anstellen kann. Dafür ist die Piratenpartei eine dankbare Partei, denn sie veröffentlicht viele, viele Zahlen. So zum Beispiel auch ein Wortprotokoll der Bundesparteitage mitsamt Zeitangaben. Daraus kann man z.B. ablesen, wie wir unsere Zeit so genutzt haben und wofür sie alles flöten gegangen ist. Das möchte ich für den BPT 2013.2 in Bremen gerne mal tun.

Das Protokoll des Parteitags findet sich hier.

Ich habe die verschiedenen Abläufe dort mal aufgeschlüsselt und geordnet wieder zusammengefasst. Nagelt mich da bitte nicht auf die Minute fest, ein bisschen Rundung ist immer. Der Anteil der Tätigkeiten schlüsselt sich demnach wie folgt auf:

Zeitverbrauch BPT13.2

Oder tabellarisch so:

Orga & Pausen 01:45
Wahl der Versammlungsämter & ähnliches 00:17
Beschluss der GO 00:47
Änderungen der GO 00:12
GO-Anträge 00:34
Beschluss der TO 00:25
Änderungen der TO 00:47
Entlastung BuVo 00:15
Redebeiträge 00:58
Satzungsänderungen 02:18
PPEU 00:17
Sonstige Anträge 01:09
Wahl Vorsitz 01:43
Wahl stellvertretender Vorsitz 01:37
Wahl Schatzmeister 00:58
Wahl Generalsekretär 00:55
Wahl PolGef 01:04
Wahl 1. stellvertretender Generalsekretär 01:15
Schiedsgericht 01:32
Kassenprüfer 01:01
Stellvertretender PolGef 00:13
Stellvertretender Schatzmeister 00:03
Wahl 2. stellvertretender Generalsekretär 00:24

Dazu muss man allerdings einige Dinge anmerken:

  • Orga & Pausen besteht hauptsächlich aus kleineren Unterbrechungen, Durchsagen, Warten auf irgendwas und einer guten halben Stunde Verzögerung am Sonntag morgen!
  • Wahl der Versammlungsämter & ähnliches hatte nur 6 Minuten für die Wahl der Versammlungsleitung. Der Zeitverlust durch das alternative Team hielt sich also in Grenzen.
  • Beschluss der GO waren geschlagene 37 Minuten Gebattle um die richtige GO + 10 Minuten Erklärung der Wahlordnung.
  • Änderungen der GO gab es nur sehr, sehr wenige. Zu Beginn wurden ein paar geplante Anpassungen gemacht, ansonsten wurde einmal das Wahlverfahren in Zweifel gezogen und einmal die Art der Kandidatenbefragung. Zeitverlust: Peanuts.
  • Die gefürchteten GO-Anträge machten nur gut eine halbe Stunde am gesamten Parteitag aus. 10 Minuten davon gingen auf Entscheidungen über die beiden alternativen Wahlverfahren zurück. Die „GO-Schlacht“ am Ende des Parteitags hat uns ca. 7 Minuten gekostet. Der Rest waren hauptsächlich ein paar Meinungsbilder und ein wenig GO-Spaß zum heftig umstrittenen SÄA007 (Ordnungsmaßnahmen gegen Gliederungen).
  • Beschluss der TO hat mit 25 Minuten auch sehr lange gedauert. Über die TO gab es leider absolut keinen Konsens.
  • Änderungen der TO machten mit 47 Minuten den größten Teil der GO-Zeitversenkung aus. Hier lohnt sich aber der Blick auf’s Detail: Zuersteinmal haben wir mit der beschlossenen TO alle Lücken mit Programmanträgen gefüllt. Die TO wurde dann mit 8 Änderungsanträgen wieder umgestellt. Knackpunkt war wohl der zweite TO-Antrag, in dem wir beschlossen haben die Anträge zur PPEU vorzuziehen und die Anträge zum Europawahlprogramm nach der Wahl der Kassenprüfer zu machen. Ich bin mir nicht sicher, ob allen klar war, dass das defakto bedeutete das Programm wieder rauszuwerfen, da die Kassenprüfer erst kurz vor dem Ende dran waren. 3 TO-Änderungen (7 Minuten) wurden von der Versammlungsleitung gestellt, um in Auszählpausen dann überhaupt irgendetwas machen zu können. 2 weitere TO-Anträge (14 Minuten) durch die Versammlungsleitung wurden nötig, weil wir die Ämter des Bundesvorstands und damit die Wahlgänge geändert haben. Aus der Versammlung kamen nur 3 TO-Änderungen: Besagter Antrag PPEU statt Wahlprogramm zu machen (2 Minuten, offenbar genug für episches Self-Trolling), die Behandlung von Vorstandsbezahlung (5 Minuten + als Folge davon fast eine Stunde Kampf um Geld, das wir nicht haben…) und das Einfügen des SÄA018 (19 Minuten (!) wegen notwendiger Auszählung während die Wahlhelfer gerade nicht da waren). Eine TO-Schlacht zum Ende des Parteitags wurde von der GO effektiv unterbunden.
  • Redebeiträge gab es 10 Stück. Diese waren: 2 Minuten Bayern zu Unterschriftensammlungen, 1 Minute wegen einer Spendensammlung aufgrund eines Diebstahls, 3 Minuten weil ein Typ Lesungen zu seiner Stasi-Akte hält, 2 Minuten zu BEO, 2 Minuten über eine geklaute Tasche, 14 Minuten Amelia Andersdotter mit Live-Dolmetscher, 2 Minuten zu einer Hartz IV-Petition, 19 Minuten zu Landtagsarbeit, 6 Minuten von den JuPis, 7 Minuten Ansprache des neuen Vorsitzenden. Die skurilleren Reden waren also eher kurze Lückenfüller, den Großteil haben die „seriösen“ Reden ausgemacht. In der ursprünglichen TO vorgesehen waren eigentlich nur Amelia und die JuPis.
  • Die Satzungsänderungen setzen sich wie folgt zusammen: 39 Minuten Vorstandszusammensetzung (mit der Folge einiger TO-Änderungen), 28 Minuten Schiedsgerichtsreform (4 Anträge, die Wahl von 6 Richtern war strenggenommen ein sonstiger), 11 Minuten Wiederaufnahmeverfahren, 6 Minuten Abschaffung Finanzrat, 54 Minuten Ordnungsmaßnahmen gegen Gliederungen (inkl. geheimer Abstimmung).
  • Sonstige Anträge waren: 51 Minuten Bezahlung von Vorständen, 2 Minuten Spitzenteam zur EU-Wahl (zurückgezogen), 16 Minuten Themenbeauftragte.
  • Die Wahl der Kassenprüfer hatte defakto eine 17 minütige offene Aussprache, wegen Verwirrung um eine Ordnungsmaßnahme eines der Kandidaten.

Die großen Zeitfresser waren also im Wesentlichen:

  • 30 Minuten verspäteter Start am Sonntag Morgen
  • Über 1 Stunde Kampf um die GO und die TO, mit der Folge weiterer TO-Anträge
  • Einige Redebeiträge von denen so etwa 30 Minuten hätten eingespart werden können
  • Ca. 40 Minuten Kampf um die Vorstandszusammensetzung
  • Mit allem drum und dran etwa 50 Minuten zum Antrag auf neue Ordnungsmaßnahmen gegen Gliederungen
  • Fast 1 Stunde zum Spontanthema Bezahlung von Vorständen

Diese wenigen Punkte machen insgesamt 4,5 Stunden aus! Zum Vergleich: Alle anderen Anträge zusammen, also die beiden Anträge zur PPEU, den zum Spitzenteam (zurückgezogen), zu den Themenbeauftragten, mehrere Anträge zur Schiedsgerichtsreform, mehrere zum Wiederaufnahmeverfahren und zum Finanzrat haben zusammen 1 Stunde 20 Minuten gedauert.

Ausgebremst wurden wir aus meiner Sicht vor allem durch ein wenig Trödelei und ein paar stark umstrittene Anträge, wozu leider auch die GO und die TO zählten. Gerade bei der GO ist das ärgerlich, da zumindest die Anfangs-GO sonst eigentlich immer einigermaßgen geschmeidig über die Bühne gehen konnte. Eine konsensfähige TO ist da schon schwieriger vorzubereiten.

GO-Änderungen und GO-Schlachten haben uns kaum in relevantem Maße aufgehalten. Auch die GO-Schlacht zum Ende hin war wohl gefühlt länger als es tatsächlich gedauert hat. Da zahlt sich die Nervenstärke der Versammlungsleitung aus, die die Situation souverän gemeistert hat. Die TO hatten wir leider nicht so gut im Griff, wobei viele Neusortierungen weniger fehlende Disziplin der Versammlung waren, sondern eher auf folgenschwere Entscheidungen zu Beginn zurückzuführen waren.

Spaßeshalber bietet sich auch ein Vergleich mit der ursprünglich geplanten Tagesordnung an. Hier kann der Planungsstand vor Beginn der Versammlung eingesehen werden. Um Vergleichbarkeit herzustellen habe ich einige Blöcke davon ein wenig aufgespalten und den Anteil der darin zusammengefassten Einzelpunkte geschätzt.

Vergleich Zeitverbrauch vs TO-Vorschlag BPT13.2

Orgadurchsagen und Unterbrechungen sind im offiziellen TO-Vorschlag natürlich nicht ausgewiesen, dafür aber wohl in die einzelnen TO-Punkte „eingepreist“. Außerdem gab es im Plan am Ende beider Tage eine Stunde Puffer. Man sieht, dass die meisten, aber nicht alle, Wahlgänge etwas länger gebraucht haben als geplant. Das hätte man wohl dem Puffer zuschlagen können, genauso wie einen Teil der Unterbrechungen. Irgendwie war eine deutlich längere Aussprache mit dem Bundesvorstand geplant. Den Teil haben wir uns nahezu komplett geschenkt. Die Tätigkeitsberichte wurden einfach, äh, zu Protokoll gegeben. Das hat uns immerhin einen erheblichen Teil des Zeitverlusts um die GO und TO wieder hereingeholt. Die ungeplanten Redebeiträge haben uns wieder etwas Zeit gekostet. Satzungs- und sonstige Anträge haben fast so viel Zeit in Anspruch genommen, wie auch dafür geplant waren, allerdings haben wir in der gleichen Zeit deutlich weniger Anträge behandelt, da ein paar davon doch sehr, sehr lange gedauert haben. Weggelassen wurden im Wesentlichen die Anträge zum dezentralen Parteitag, BEO und zur SMV. Das wären vermutlich auch nicht gerade Quickies geworden. Ganz geschluckt wurde leider der Block zum Europawahlprogramm, skurilerweise nachdem wir zuerst beschlossen haben eigentlich nur das zu machen. Schlauerweise haben wir uns nichtmal 2 Stunden später um 180° umentschieden und das Europawahlprogramm defakto durch die Anträge zur PPEU ersetzt. Profipartei. :) Die Wahlgänge haben insgesamt etwas länger gedauert als geplant. Theoretisch wäre der Puffer aber ausreichend gewesen, um das abzufangen. Der Umbau des Vorstands hat uns bei den Wahlen keine Extra-Zeit gekostet, allerdings auch nur, weil wir auf zwei optionale Ämter verzichtet haben (eins davon eher wegen Zeitmangel) und das dritte im Ultraschnellverfahren gewählt haben. Der Zeitverlust lag hier in erster Linie beim Beschluss der Satzungsänderung zum Umbau.

Fazit?

Nunja. Zuersteinmal ist der Ablauf des Parteitags inzwischen besser als sein Ruf. Kurze aber als unnötig empfundene Verzögerungen fühlen sich meist länger an, als sie tatsächlich dauern. Ein bisschen Zeit lässt sich bei Reden und bei sonntagmorgendlicher Disziplin (ja, es schmerzt mir selbst in der Seele das zu schreiben) einsparen. Anträge kosten vor allem dann eine Menge Zeit, wenn sie stark umstritten sind, während unstrittige Dinge relativ geschmeidig durchgewunken werden. Wenn wir es schaffen mehr unstrittige Anträge zu produzieren und dann auch zu behandeln, können wir unseren Output erheblich steigern. Ein großer Knackpunkt liegt auch bei der Vorlage einer möglichst konsensfähigen GO und TO. Das wiederum ist aber vermutlich leichter gesagt als getan. Für den kommenden Parteitag steht eine bundesweite Listenaufstellung an. Da kommt zum GO- und TO-Kampf noch der Kampf um die Wahlordnung dazu. Ich hoffe ja in unser aller Interesse, dass wir das einigermaßen friedlich und zügig bewerkstelligt bekommen.

Die aufbereitete Datengrundlage für diese Auswertungen könnt ihr euch gerne hier herunterladen:
http://wiki.piratenpartei.de/Datei:ZeitverbrauchBPT132.ods

Kommentare
  1. Gut erkannt, dass das ganze TO-Gewusel letztlich nur dazu geführt hat, die beiden PPEU-Anträge (von denen einer für Bochum nochmal in „fertig“ gestellt wird) zu behandeln. Leider waren die Egos der Gruppe um die Antragsteller so aufgeblasen, dass trotz netto drei Personentagen Kommunikationsaufwand im Vorfeld des BPT man nicht einfach den Antrag auf Einschieben des einen (oder meinetwegen der beiden Anträge) stellen wollte, sondern lieber eine komplett eigene TO anbringen musste, damit man sich auf der Bühne nochmal schön einen auf die eigene Wichtigkeit runterholen und den BPT noch kachfrech anlügen konnte, dass es keine Kommunikation/Einbindung im Vorfeld gegegeben hätte..

    Witzigerweise war das am Ende sogar egal, denn die PPEU-TO wurde zurückgezogen und die TO des Büttenredners aus SH angenommen, der die Versammlung einfach mit Pathos zuschiss, so als ob vier Wochen später kein Parteitag mit Fokus Europa kommen würde. Ende vom Lied war dann, wie bekannt, dass die PPEU-Anträge wie erwartet in 2min durchgewunken worden und die Versammlung nach und nach (abzüglich der notwendigen Änderungen wegen der superschlauen neuen Zusammensetzung des BuVos) zum eigentlichen Plan zurückkehrte.

    Das größte Bonbon des BPT war aber die Vorstellung von SÄA013 kurz nach Änderung der TO. „Niemand interessiert sich für unser Programm, wenn wir nicht mal unsere eigenen Interna und notwendigen Wahlen hinbekommen“ und der Sahl fängt das Johlen an, so als ob alle grade spontan vergessen haben, dass sie 10min vorher eine fucking TO angenommen haben, in der die Wahlen eher lästiges Beiwerk für das geile und ach so wichtige Wahlprogramm waren.

    Diese Partei hat zwei große Probleme: Sie lernt nur durch starke Schmerzen und sie vergißt unglaublich schnell.

  2. Bastian sagt:

    YMMD! Bastian

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